Bugrams Werke und Projekte suchen den Diskurs mit dem Publikum und stellen unter anderem gesellschaftliche, patriarchale Gegebenheiten in Frage. Ihr künstlerischer Schwerpunkt liegt in der Druckgraphik und Zeichnung. Die zahlreichen und differierenden Sujets zeigen eine intensive Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Themenkomplex.
Die großformatige Zeichnung „alles was du sehen willst…“ ist eine kunsthistorische Referenz auf die unzähligen Frauendarstellungen, die üblicherweise von alten Meistern – Männern – gemalt wurden und einen klassischen male gaze einnehmen. In der Geschichte der Kunst wird die Frau frontal, meist hilflos oder fast ohnmächtig als Objekt der Begierde dargestellt. Bugram verkehrt diesen Blick ganz bewusst, befreit den Körper aus dem archaischen Diskurs und holt diesen mit der eindeutigen Geste des Einspruchs – dem hochgestreckten Mittelfinger die Porträtierten – in unsere Zeit. Das Widerstands-Zeichen sagt klar, dass es nicht egal ist, wie wir Frauen* betrachten. Die Geste soll aufwecken.
Das Pendant „…oder nie überdenken wolltest“ lässt den weiblichen Körper durch eine schriftliche Verdichtung der Fragen „Ist es das was du sehen willst? Ist es das was du siehst?“ erahnen. Es sind hier inhaltliche Inputs, Denkanstöße, die den Betrachtenden entgegengebracht werden. Diese laden dazu ein, die menschliche Wahrnehmung zu hinterfragen, denn oft sehen wir nur Dinge, die wir auch sehen wollen. Oder auf die Art und Weise wie wir es im Zuge unserer Sozialisierung erlernt haben – ohne diese Muster zu hinterfragen.
Die Serie „It’s a match and it’s going to be grand” referiert auf Datingapps, wie zum Beispiel Tinder. Die Benachrichtigung „It’s a match“ erscheint am Display, sobald sich eben der oder die vermeintlich Richtige in den Tiefen des Netzes gefunden hat. Nach längerer Recherche merkte Julia Bugram, dass sich Männer auf ihren Profilen anders darstellen als Frauen. Ganz klar steht hier der Oberkörper, meist das Sixpack, im Fokus. Oft sind sogar die Köpfe beim Foto abgeschnitten und der Mensch wird zur Fleischbeschau – die Herren präsentieren sich selbst klar als Objekt. Die Kohlezeichnungen sind durch Wischen und Verwischen mit den Fingern entstanden und nehmen auf ironische Art und Weise die Swipe-Bewegung auf, die auf den Plattformen bedeutend sind. Da die Künstlerin niemandem etwas unterstellen möchte, tragen alle Torsi eine weiße Weste (weiß gerahmt) und hier werden auch Betrachter*innen in keinster Weise enttäuscht – es darf sogar nachgemessen werden(!) – die versprochenen 20 cm sind garantiert. Mit Augenzwinkern wird so auf teils absurden Idealvorstellungen einer westlichen Gesellschaft verwiesen.
Die Druckgraphiken WUT – MUT – FUT gelten als Startpunkte für die Auseinandersetzung mit den zuvor besprochenen Themen. Zuerst war die Wut da über all die Ungerechtigkeiten, die in der Gesellschaft aufzufinden sind und noch nicht ausgetragen wurden. Es hat Mut gebraucht, um sich der Thematik zu widmen und Fut steht stellvertretend für das Projektthema. Prägnante Schriftzüge zieren die pastellfarbigen, zarten Biedermeiertapeten, die das Häusliche assoziieren. Die Tapeten wurden frei von der Künstlerin erfunden, enthalten aber Symbole, wie die Schwerlilie, die stellvertretend für das Männliche steht oder die Pfauenfeder, die wie eine Vulva anmutet. Inhaltlich geht es auch um die Care-Arbeit, die Frauen* tagtäglich leisten. Gerade in der Coronazeit ist die Frau einer stärkeren Mehrfachbelastung ausgesetzt, was Job, Haushalt und Kindererziehung, sowie vor allem dem Homeschooling betrifft.
Die Werkserie „Verbindlichkeiten“ ist ein Zeitdokument und brachte seit dem ersten Lockdown Menschen über das gemeinsame Schaffen zusammen, während zugleich Distanz gewahrt wurde. Nach einer Vorgabe wurde die Öffentlichkeit aufgerufen, individuelle Interpretationen der Aufgabe anzufertigen und diese per Post an Julia Bugram zu senden. Alle Beiträge wurden zu einem größeren, gemeinsamen Ganzen zusammengefügt. Hier wollte die Künstlerin die gesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zeigen. Die damit zusammenhängenden Überlegungen Hoffnung zu schenken, resultierte in dem Kunstprojekt „Verbindlichkeiten“, bei dem sich Menschen beteiligen konnten, neue Verbindungen geknüpft wurden, während im gleichen Moment die notwendige Distanz eingehalten wurde.
Julia Bugram – www.juliabugram.com