Die letzten Jahre verbrachte sie viel Zeit in Berlin und war im Rahmen diverser Residencies international unterwegs. So arbeitete sie etwa mehrere Monate in Finnland, Norwegen, Frankreich und den Niederlanden. Anfang dieses Jahres beschloss die Künstlerin, wieder nach Wien zurückzukehren.
Wo liegt das Hauptaugenmerk deiner Kunst?
Im Spannungsfeld von skulpturalen und installativen Arbeiten beschäftige ich mich mit der Frage, wie unsere Realität strukturiert ist. Was formt unsere Umgebung und Realität? Welche Ordnungssysteme haben wir uns auferlegt? Was bringt uns einem Verständnis unserer Welt näher? In diesem Zusammenhang interessiere ich mich in vor allem für naturwissenschaftliche, physikalische und technologische Phänomene. Ein Thema, an dem ich seit ein paar Jahren sehr intensiv arbeite, ist das Phänomen Zeit. Dabei geht es mir vorrangig um die Frage nach der Messbarkeit von Zeit und um ein Erforschen des als normativ geltenden Zeitbegriffs. Diese Auseinandersetzung führte mich nun auch zu einer Beschäftigung mit dem internationalen Einheitssystem an sich. Momentan arbeite ich an mehreren Projekten, in denen ich vor allem die historischen und aktuellen Entwicklungen zur Vereinheitlichung physikalischer Größen untersuche und mich skulptural mit jenen Prototypen befasse, die als physisch vorhandene Objekte diese Basisgrößen erst definieren. Neben der Beschäftigung mit diesen „großen“ wissenschaftlichen Systemen, die unsere Realität prägen und vereinheitlichen, erforsche ich aber auch jene kleinen Details, die unsere direkte Umgebung formen. Dabei geht es mir insbesondere darum, das oft Unbeachtete, Subtile zum Vorschein zu bringen und in einen neuen Kontext zu stellen. Die skulpturale Objekthaftigkeit alltäglicher Gegenstände spielt hier ebenso eine Rolle wie das Immaterielle in Form von Sound und Licht.
Was formt unsere Umgebung und Realität? Welche Ordnungssysteme haben wir uns auferlegt? Was bringt uns einem Verständnis unserer Welt näher?
Was fasziniert dich an Raum, Licht und Zeit?
An der Zeit fasziniert mich vor allem die Tatsache, dass das Phänomen Zeit zwar immer präsent, jedoch nicht wirklich greifbar ist. Sie ist ein Konzept, das schwer zu verstehen ist, sobald man über eine objektive Zeitbestimmung nachdenkt oder sich in eine physikalische oder philosophische Auseinandersetzung mit ihr begibt. Die Zeit bildet einen Grundstein unseres Lebens, sie definiert unseren Rhythmus, teilt unser Leben in bestimmte Einheiten und bleibt dennoch schwer vorstellbar. Wenn wir etwa an das Jetzt denken, hinken wir der Jetztzeit schon hinterher. Das Jetzt ist also so unmittelbar, dass sich der Inhalt des Augenblicks unserer Wahrnehmung ständig entzieht. Der Frage nach der Dimension und der Erfahrbarkeit von Zeit gehe ich etwa in meiner Installation A matter of time nach, in der ich eine Lichtleiste so programmiert habe, dass sie analog zur Bewegung des Sonnensystems innerhalb von 225 Millionen Jahren eine Rotationsbewegung ausführt. Diese Bewegung ist zwar vorhanden, aber nicht nachvollziehbar. Es ist also die Dauer der Zeit, die hier zum Ausdruck kommt, ebenso wie die Grenze der menschlichen Vorstellungskraft. In Bezug auf Raum und Licht interessiert mich vor allem die Möglichkeit, durch die Verwendung immaterieller Materialen besondere Raumwahrnehmungen und -veränderungen herbeizuführen. Licht ist in den letzten Jahren ein wichtiges Material in meinen Arbeiten geworden. Bedeutend sind sowohl die wissenschaftlichen Aspekte, die das Phänomen Licht mit sich bringt, als auch das Vermögen von Licht, eigene Räume und Architekturen zu schaffen. Letzteres habe ich etwa in meiner großformatigen Installation für das OK Linz in diesem Winter aufgegriffen und umgesetzt.
Wie entstehen deine Arbeiten?
Viele meiner Arbeiten sind ortsspezifisch und nehmen auf ihre direkte Umgebung Bezug. Ich beschäftige mich oft intensiv mit den Orten, ihrer Geschichte und ihren Gegebenheiten. Zu dieser Arbeitsweise hat bestimmt auch mein etwas nomadenhaftes Leben der letzten Jahre beigetragen, da ich durch meine Residencies oftmals länger an unterschiedlichen Orten war und dort begonnen habe, nicht nur an dem Ort, sondern auch mit ihm zu arbeiten. So habe ich etwa während eines Aufenthaltes in Norwegen eine Lichtinstallation gebaut, die auf den dortigen Ausstellungsraum, einen ehemaligen Turnsaal, Bezug nimmt oder in Frankreich eine vor meinem Atelier vorgefundene uralte und kaputte Leuchtreklame wieder zum Leben erweckt und zum Morsesignal umgebaut. Zudem arbeite ich seit einigen Jahren immer wieder an sehr großformatigen Projekten und Installationen im öffentlichen Raum. Auch hier ist es mir wichtig, immer auch einen inhaltlichen oder formalen Bogen zum Ort selbst zu spannen. Neben dieser ortsspezifischen Arbeit stoße ich oft auf wissenschaftliche Artikel, die mein Interesse wecken und dann führt eines zum anderen und ich stecke plötzlich mitten in einer intensiven Recherche zu einem bestimmten Thema. Und daraus resultiert dann eine neue Arbeit. Bei dieser Herangehensweise finde ich besonders spannend, wie wissenschaftliche Erkenntnisse in die bildende Kunst integriert bzw. durch künstlerische Prozesse sichtbar oder neu interpretiert werden können.
Welchen Herausforderungen stellst du dich als Künstlerin?
Viele meiner Installation sind sehr technisch und vor allem großformatig. Bei den Arbeiten im öffentlichen Raum, wie etwa der Lichtinstallation Running Light, die ich im Rahmen des Festivals der Regionen auf einen 30 Meter hohen Wasserturm angebracht habe, ist die Umsetzung manchmal schon herausfordernd. Da braucht es lange Planungsphasen, Gespräche mit PolitikerInnen, Budgetverhandlungen und vor allem ein gutes und sicheres Aufbaukonzept. Zum Glück gibt es dann auch immer unterstützende Menschen und im besten Fall gut organisierte Institutionen und Aufbauteams, mit denen gemeinsam die Realisierung dieser großen Arbeiten dann überhaupt erst möglich ist.
Wo wäre in Wien dein geeignetster Platz für eine Installation von dir? Warum genau dort?
Spontan würde ich sagen, auf einem der Wiener Flaktürme. Die finde ich architektonisch und natürlich auch historisch sehr spannend. Und irgendwie zieht es mich scheinbar in letzter Zeit immer wieder zu großen und hohen Bauwerken. Schön daran finde ich zum einen die weite Sichtbarkeit, zum anderen das Berücksichtigen der unterschiedlichen Blickachsen und Perspektiven bei der Planung.
Vervollständige den Satz. Morgen kommt Besuch…
… wir trinken Gin Tonic und Corona ist Geschichte.
Miriam Hamann – www.miriamhamann.com