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Zürich Kunst

Interview mit Nina Mambourg

Nina Mambourgs malerisches Schaffen konzentriert sich auf die Darstellung weiblicher Figuren mit scharf umrissenen Formen in tendenziell nüchterner Ausführung. Frauen sitzen auf Stühlen, rauchen Zigaretten oder interagieren in Gruppen. 
Interview mit Nina Mambourgs
Ausschnitt: Madeleine on a Swan Chair, 2017, Öl auf Leinwand, 100×70 cm

Bemerkenswert ist, dass Mambourg ihre Werke nicht nach Fotografien malt, sondern aus dem reichen Reservoir ihrer Vorstellungskraft schöpft. Es handelt sich also nur auf den ersten Blick um „echte“ Portraits. Vielmehr werden die Frauen als Vermittlerinnen tiefgründigerer Bildinhalte eingesetzt.

Gab es einen bestimmten Moment, der dich zur Kunst geführt hat?
Es gab einen Moment, wo ich als Grafikerin eine Publikation über die Abschlussarbeiten der Kunstklasse der Zürcher Hochschule der Künste gestalten sollte. Alle Studentinnen kamen zu mir ins Atelier und brachten ihre Portfolios und Texte zur Dokumentation vorbei, und ich hatte das extreme Gefühl, dass ich auf der falschen Seite stehe. Ich habe schon immer gemalt, aber da habe ich den Entschluss gefasst, dass ich einen künstlerischen Diskurs brauche, um mich weiterzuentwickeln: Nach der Publikation bin ich selber mit meiner Mappe bei der Schule vorbeigegangen und wurde aufgenommen.

Frau mit grüner Bluse, 2020, Öl auf Leinwand, 120×110 cm
Frau mit grüner Bluse, 2020, Öl auf Leinwand, 120×110 cm

Welche Themen faszinieren?
Das aktuelle Weltgeschehen, unsere Gesellschaft und immer wieder das sogenannte Uncanny Valley. Es geht um einen Begriff aus der Gaming-Industrie und der Robotik, in dem ein künstliches Wesen fast, aber nicht ganz wie eine echte Person erscheint. Dies verursacht ein messbares Gefühl des Unbehagens, weil das künstliche Wesen der Realität nahe genug kommt, um erkennbar zu sein, aber nicht nah genug, um es nicht mehr zu unterscheiden. Ich sehe in der Uncanny Valley-Theorie Parallelen zu unserem Alltag. Wir fühlen ob der schieren Masse von schlechten Nachrichten, Krisen und Katastrophen ein gewisses Unbehagen, das sich aber meist erfolgreich verdrängen lässt, weil sich diese Realität nicht mit unseren alltäglich erlebten Erfahrungen deckt – es ist ein alltägliches Dilemma. Wir wissen, dass etwas wahr ist, aber solange wir es nicht selber spüren und sehen, fällt es uns schwer, es zu glauben. Oder aber wir glauben es und schaffen es, es in unserem Alltag erfolgreich zu verdrängen. Akzeptiert wird eine Tatsache erst, wenn sie mit dem Selbsterlebten kongruent übereinstimmt oder es keinen anderen Ausweg mehr gibt.

Ich versuche gesellschaftliche und politische Themen in Malerei zu übersetzen und thematisiere dabei das Unbehagen, das im Vergleich zum Alltagsleben entsteht.

Wer sind die Frauen auf deinen Bildern?
Die Frauen auf meinen Bildern sind fiktiv. Sie transportieren nur die Bildaussage.

Findet sich in deiner Arbeit ein Selbstporträt?
Nein.

Mir ist aufgefallen, dass deine Charaktere in den Bildern oft nach oben blicken. Hat das eine besondere Bedeutung? Könnte es vielleicht eine Verbindung zur Religion geben?
Die verdrehten Augen meiner Figuren haben mehrere Gründe und erfüllen mehrere Funktionen. Sie haben sich mit der Zeit als ein geeignetes Stilmittel für die Vermittlung meiner Geschichten herausgebildet. Es stimmt, dass dieser Blick oft auf religiösen Bildern vorkommt. Er zeigt dort die Verzückung der dargestellten Person und ihre Verbundenheit nicht mit dieser Welt, sondern mit Gott. Ich bin nicht religiös, aber ich benutze diesen Blick gerne als Zeichen für eine Gleichgültigkeit gegenüber der realen Welt. Er wirkt oberflächlich, uninteressiert und in Zusammenhang mit einem Lachen weggetreten und egozentrisch. Außerdem verhindert diese Art der Darstellung der Augen, dass die Frauen als einfach nur schön wahrgenommen werden –  Schönheit im klassischen Sinn zu malen interessiert mich nicht mehr.

Welche Rolle spielen die Kleidung und Schmuck bzw. Accessoires, die in deinen Bildern dargestellt werden?
Ich habe mich während meines Studiums stark mit Ikonografie beschäftigt. Es geht dabei um die Deutung von Symbolen und Attributen in der abendländischen Kunst. Natürlich bezieht sich das vor allem auf religiöse Kunst, aber es ist spannend, nichtsdestotrotz. Noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gingen Maler sehr geschickt mit Symbolen und Attributen um, und die Leute haben diese auch erkannt und verstanden. Einige Beispiele: Ein Globus auf dem Bild eines Kaufmanns gilt als Zeichen seiner Bildung und Weltgewandtheit, oder eine Kerze als Symbol von Vanitas, der Vergänglichkeit alles Irdischen (weil sie ja abbrent und vergeht). Andere Vanitassymbole sind Blumenstilleben und Insekten: Sie sind Zeichen für Werden und Vergehen. Fliegen im Speziellen gelten aber auch noch als die Verkörperung des bösen Prinzips und der Sündhaftigkeit. Darum wird der Teufel auch Herr der Fliegen genannt. Ich finde die Deutung der Symbole sehr spannend und inspirierend, aber es ist nicht so, dass ich die ganze Zeit haufenweise Symbole in meinen Bildern platziere. Vielmehr habe ich mir aus diesem Prinzip der Bilddeutung eine eigene kleine, selbsterfundene Ikonografie-Sprache aufgebaut, die ich manchmal anwende, um die Bildthematik zu verstärken. Diese Sprache muss man nicht verstehen, aber man kann, wenn man sich damit auseinandersetzen will. Ein Beispiel dafür sind die Zigaretten, die ich meinen Figuren gerne und oft in die Hand drücke. Für mich ein ganz klares Vanitas-Symbol, ein eindeutiges Zeichen für Tod und Vergänglichkeit. Es gibt auch einfache Sachen wie blaue Augen, die ich als Blauäugikeit übersetze, oder dunkle Wolken am Horizont, die auf eine herannahende Bedrohung hinweisen. Bei den Kleidern geht es, neben da und dort auftauchender Farbsymbolik oder komplementären Konstrasten, auch oft einfach nur um Ästhetik.

Nina Mambourg
Nina Mambourg

Wo befindet sich dein Atelier und verbringst du viel Zeit dort?
Mein Atelier befindet sich drei Gehminuten von meiner Wohnung entfernt. Ich verbringe wöchentlich Zeit dort, gefühlt aber immer zu wenig

Gibt es Hobbys, die dich abseits der Kunst inspirieren?
Ich lese viel und wandere gerne.

Wo wird man deine Werke als Nächstes sehen können?
In absehbarer Zeit wird eine Publikation mit meinen Bildern erscheinen. Begleitend zur Buchpräsentation wird es eine Ausstellung hier in Zürich geben. Detaillierte Informationen dazu erfahrt ihr bald auf Instagram oder auf meiner Website.

Nina Mambourg – www.ninamambourg.com, www.instagram.com/ninamambourg/