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Gmünd Kunst

Interview mit Aleks Polonskaja

Aleks Polonskaja wurde in Tallinn, Estland, geboren und wuchs dort auf. Schon früh trieb sie eine unbändige Neugierde in die Welt hinaus, und mit nur 14 Jahren begann sie allein durch Europa zu reisen. Nach dem Schulabschluss entschied sie sich, nach Deutschland zu ziehen, um Kunst zu studieren. Seit 21 Jahren lebt und arbeitet sie in Düsseldorf. An der Kunstakademie Düsseldorf studierte Polonskaja freie Kunst/Bildhauerei bei Professor Vermeiren und Analia Saban.
Künstlerin. Aleks Polonskaja
Künstlerin. Aleks Polonskaja

Welche Materialien verwendest du am häufigsten in deiner Arbeit?
Mein Weg begann mit der klassischen Bildhauerei, wo ich vorwiegend mit Gips arbeitete. Doch irgendwann spürte ich den Drang nach Leichtigkeit, nach Befreiung. Der Gips wich der Jute, die ursprünglich nur Träger für den Gips war. So blieb das Textil als mein Medium, und ich begann, mit anderen Stoffen zu experimentieren. Im Moment faszinieren mich besonders die Transparenz, Leichtigkeit und die zarten Farbübergänge – all das, was Intimität und Fragilität verkörpert.

Installation THE RESIDENT, 2024, Tüll, Organza, Garn, Holz, Photo auf Photopapier 21x296-teilig /3 x 4 m
Installation THE RESIDENT, 2024, Tüll, Organza, Garn, Holz, Photo auf Photopapier 21×296-teilig /3 x 4 m

Wie wichtig ist dir die haptische Erfahrung deiner Materialien während des kreativen Prozesses?
Die Materialien, mit denen ich derzeit arbeite – Tüll und Organza – sind von einer beeindruckenden Feinheit und Fragilität. Tüll ist transparent und zugleich ein Netz, das dich schützt und auf Abstand hält. Er erträgt die scharfen Stiche der Nähmaschine, die ihn durchbohren, doch hinterlässt keine Spuren, wenn die Naht wieder gelöst wird. Es hat etwas Unheimliches an sich. Organza hingegen verhält sich eigenwillig; Jeder Kontakt hinterlässt bleibende Spuren, wie kleine Löcher. Es ist ein Material, das sich nicht zähmen lässt, dass seine eigene Sprache spricht. Mit jedem Stich erkunde ich die Grenzen dieser Stoffe und finde heraus, welche Kombinationen funktionieren und welche sich verweigern.

Was hat dich dazu bewegt, Malerei, Zeichnung und Skulptur in deinen Werken zu vereinen?
Meine Arbeit beginnt stets mit der Zeichnung von horizontalen und vertikalen Linien, die Räume und Strukturen erschaffen. Schon immer hatte ich den Wunsch, meine verschiedenen Arbeitsprozesse zu verbinden. Es reizt mich, Hybride zu erschaffen, die sowohl als Zeichnung als auch als Malerei wahrgenommen werden können. Für mich sind es textile Hybride, die alles in sich tragen – die Farbverläufe, die Linien der Nähmaschine, die Bewegung, die Transparenz und Dichte, die geheimnisvolle Verschmelzung all dieser Elemente.

Was fasziniert dich an den Strukturen des menschlichen Bewusstseins, und wie erkundest du sie in deiner Kunst?
Für mich sind die Strukturen des menschlichen Bewusstseins ein Raster, das sich in meinen Arbeiten widerspiegelt – gezeichnete und genähte Muster, die sich wiederholen, wie die sozialen und psychologischen Strukturen, die unsere Identität prägen. Es sind Grenzen, die uns sowohl begrenzen als auch schützen, sich überschneidende Elemente, die einander stützen und herausfordern. Die fortlaufenden Nähte meiner Werke stören und stabilisieren zugleich, genau wie die Gedanken und Muster, die unser Bewusstsein formen.

Wie kam es dazu, dass du in diesem Jahr am Artist-in-Residence-Programm in der Künstlerstadt Gmünd in Kärnten teilgenommen hast?
Vor einem Jahr bewarb ich mich für das Programm und wurde ausgewählt. Dafür bin ich sehr dankbar.

Wie lange dauerte dein Aufenthalt und wie gestaltete sich dein täglicher Ablauf? Wie hast du die Stadt erlebt?
Ich verbrachte zwei wunderbare Monate in Gmünd. In dieser Zeit konnte ich viele Arbeiten nähen und gleichzeitig die Stadt und ihre Menschen erleben. Die Stadt ist wunderschön, offen und einladend für Künstler. Da ich in Phasen arbeite, konnte ich mich in Gmünd sowohl auf das Erkunden der Umgebung als auch auf meine kreative Arbeit konzentrieren. Das Maltator-Atelier bot mir die Ruhe, die ich für meine Arbeitsphasen brauchte. Trotz der geringen Größe der Stadt passiert dort unglaublich viel im kulturellen Bereich – Ausstellungen, Konzerte, Märkte. Die Menschen dort geben sich große Mühe, eine lebendige Kulturszene zu schaffen.

Serie THE RESIDENT, No Name, 2024, Tüll, Polyester , Organza, Garn/ 132 x 147 x 13 cm
Serie THE RESIDENT, No Name, 2024, Tüll, Polyester , Organza, Garn/ 132 x 147 x 13 cm

Woran hast du gearbeitet?
Ich habe meine neue Serie *THE RESIDENT* entwickelt. Es entstanden viele kleine und große Arbeiten sowie eine Rauminstallation. Ein Katalog wurde zu diesen neuen Arbeiten ebenfalls produziert.

Mit welchen Eindrücken und Erfahrungen kehrst du nun nach Düsseldorf zurück?
Ich kehre mit vielen wertvollen Erfahrungen nach Düsseldorf zurück. Diese Zeit hat mir erlaubt, mich weiterzuentwickeln und die Ruhe und Schönheit der Natur zu genießen, die ich sehr vermissen werde. Die erste Residenz meines Lebens hat meine Erwartungen übertroffen – ich habe so viel geschaffen, gesehen und kennengelernt. Besonders eindrücklich war das Gefühl des Zusammenhalts und der gegenseitigen Unterstützung, das ich dort erfahren durfte. Ich werde diese Eindrücke noch lange verarbeiten und in meinen Arbeiten umsetzen.

Aleks Polonskaja – www.instagram.com/alekspolonskaja/