Welche Bedeutung hatte das Bildhauersymposion Krastal, das 1967 vom österreichischen Bildhauer Otto Eder mitbegründet wurde, für deine künstlerische Entwicklung? Wie hat es deine Arbeit geprägt?
Otto Eder, den ich Anfang der 70er-Jahre in Wien kennenlernte, lud mich für 1973 ein, innerhalb des Bildhauersymposions im Kärntner Krastal ein Projekt zu realisieren. Im naheliegenden Wald der Werkstätte Krastal fanden wir den Ort, wo nach statischen Berechnungen und einer losgetretenen Kommunikationslawine der von mir gefundene Findling aus der Lieser, einem Wildwasserfluss aus den Tauern, zwischen gewachsenem Felsen und dem entfernt liegenden, abgespaltenen Monolith von Institutionen, die ich dazu gewann, im September 1973 in einem bestimmten Winkel verankert und seilverspannt gehängt wurde. Otto Eder, Freunde und Kollegen der Werkstätte Krastal sowie der Fa. Lauster halfen mit und unterstützten das Projekt. Dieser Akt des Hängens und Verspannens markiert einen ersten grundlegenden Schnitt in meinem Denken und in meiner Arbeit. Aus dem FINDLING KRASTAL, einer NULLMARKE, resultieren bisher 9 Kopfergänzungen, die von einem gefundenen Stein ausgehen und zeitspezifisch zu einer INNEREN FORMEL ergänzt werden. Diese frühen Arbeiten führten zu weiteren spannenden Überlegungen und Realisationen in meinem Werk bis heute.
Welche Rolle spielen die unterschiedlichen Materialien? Was fasziniert dich besonders an traditionellen Materialien wie Stein und Metall?
Die Idee bestimmt das Material. Der Gedanke, der sich nicht verdrängen lässt, wird realisiert! Das Bild erscheint und gibt zugleich das Material vor. In einer weiteren kritischen Experimentierphase, nach langwieriger Recherche und dem Bau einfacher Modelle, wird die Idee nach Realisierbarkeit untersucht. Mit zunehmendem Alter peile ich, wenn möglich, eine leichtere Bauweise meiner Vorstellungen an. Zeichen statt Masse ist angesagt, eine minimalistische Umsetzung wird angestrebt.
Wie wählst du die Materialien für deine Arbeiten aus und welche Kriterien leiten dich dabei?
Ich habe im Laufe meiner 50-jährigen künstlerischen Praxis mit vielen unterschiedlichen Materialien gearbeitet. Wenn ich mich in einem Bereich nicht auskannte, trieb mich die Neugier dazu, danach zu forschen. Die Idee war immer der Motor und meist stärker als meine realen Möglichkeiten. Es galt und gilt noch immer, sich in der Arbeit dem inneren Bild weitgehend anzunähern.
Dein Arbeitsprozess erstreckt sich oft über Jahre, beinhaltet intensive Kopfarbeit und erfordert einen langen Prozess der gedanklichen Auseinandersetzung. Könntest du uns mehr über diesen Prozess und die Rolle der Reflexion und der Überlegung in deiner Praxis erzählen?
Mit zunehmendem Alter wird die Reflexion, das Hinterfragen nach der Notwendigkeit einer Ausführung, stärker, die Zweifel häufiger, der Anspruch größer, die Überwindung zur Realisierung einer Idee mit aller Anstrengung oft unerträglich. Ich frage mich, hätte ich die großen Installationen gemacht, wenn mir das Ausmaß der Arbeit bewusst gewesen wäre? Hatte nur das Ziel vor Augen, das zu erreichen wäre: das fertige Bild des Gedankens, das oft unterbrochen, oft verändert, endlich da ist, ist es das überhaupt?
Es bleibt oft lange rätselhaft, warum die Dringlichkeit einer Form diesen Weg gewählt hat und nicht einen anderen.
Wie empfindest du den Dialog zwischen deinen Werken und den Betrachtern, insbesondere in Bezug auf die Diskurse, die durch die formale und materielle Vielfalt deiner Arbeiten angeregt werden?
Der Dialog mit dem Außen kommt nicht immer zustande. Es liegt wohl daran, dass sich meine Arbeit meist sehr verschlüsselt zeigt und Inhalte nicht sofort ablesbar sind. Oft werden sie erst in einem größeren Zusammenhang erkennbar, wie in meiner heurigen vielschichtigen Ausstellung im Skulpturendepot des Museum Liaunig (bis Ende Okt. 2024).
Wie siehst du die Rolle der Kunst in der Gesellschaft und welche Verantwortung trägt eine Künstlerin deiner Meinung nach?
Wenn man mit großem Risiko arbeitet und die Frage nach der Vermarktbarkeit von künstlerischer Produktion kein Kriterium darstellt, sondern in der Arbeit der inneren Stimme folgt, sich jedoch den Leiden vieler Menschen auf der Welt nicht verschließt, sondern zuwendet, gerät man zwangsläufig in ein Desaster voller Fragen ohne Antworten. Meiner Meinung nach kann man nur dies gut machen, was einen erfüllt und zugleich herausfordert. In einer machterfüllten Welt, die da und dort zu explodieren droht, ist ein Gegengewicht der Kontemplation notwendig und zu verantworten, aber auch ein Sichtbarmachen der Verhältnisse.
Im Skulpturendepot des Museum Liaunig ist gerade die Ausstellung „IN EINEN KREIS EIN QUADRAT –“ von dir zu sehen. Die Ausstellung bietet einen Überblick über dein Werk seit den 1970er-Jahren. Wie bist du bei der Planung dieser umfangreichen Ausstellung vorgegangen?
Zuerst erfolgte vor ein paar Jahren bei einem Gespräch in meinem Depot in Wien die Einladung zu einer Einzelausstellung durch den 2023 bereits verstorbenen Seniorchef des Museums Herrn Herbert Liaunig sowie seinen Sohn und Nachfolger Peter Liaunig. Sukzessive war mir klar, welche großen, bereits bestehenden Rauminstallationen dabei sein werden und welche noch zu machen sind. Dann kam erst die ausschlaggebende Idee mit dem eingeschobenen Quadrat, das ein Innen und ein Außen innerhalb des kreisförmigen Raumes angab, aber auch als Denkschwelle zu begreifen ist. Danach ging es Schlag auf Schlag: die Markierung des Quadrats, die unterschiedliche Besetzung der Eckpunkte, die Objekte, die innerhalb des Quadrats sind und jene, die außerhalb stehen, hängen, das Quadrat durchkreuzen und so Spannungsfelder erzeugen sowie von außen in das Quadrat eindringen und gegenseitige Kraft und Balance mit den anderen Positionen bewirken. Ich war wie unter Strom. Einige bereits begonnenen skulpturalen Objekte sind fertig geworden, kleine Änderungen kamen hinzu. Zwei Arbeiten stehen noch aus und warten darauf, innerhalb der Ausstellungszeit verwirklicht zu werden.
In deinem Werk „Position 2″ hast du gezielt den Klang in der pantheonartigen Halle einbezogen. Wie bist du auf die Idee gekommen, Klang als Element deiner Ausstellung zu integrieren?
Klang, Geräusche begleiten mich von Anfang an in meiner Arbeit. Ich denke dabei an das kleine Objekt: ZWEI SICH UNUNTERBROCHEN AUFREIBENDE SCHEIBEN, (KOPFFORMEL ,1971), wo durch Drehen von beschichteten (getrockneter, flach gepresster Elefantenohrschwamm) Holzscheiben ein zähes Knirschen zu hören ist.
Weiters die TONBRÜCKE, (1971-74, ein Schlag- und Spielgerät für über oder unter 20 Personen):
Die neue POSITION 2 in der aktuellen Ausstellung markiert die 2. Ecke des in den Kreis eingeschobenen Quadrats. Aus einem verleimten Quader aus Vollbuche am Boden strebt eine leicht geneigte Vertikale, ein Rundstab aus Buche, der an der gewölbten Decke fixiert ist und so eine Verbundenheit zwischen Himmel und Erde anzeigt. In erreichbarer Höhe ist ein rot lackierter, geneigter Resonanzkörper aus Sperrholz montiert. Er ermöglicht einen hörbaren Ton einer G-Saite (Kontrabass), die zwischen zwei gespreizten Rundstäben aus Buchenholz über einen Stimmwirbel gespannt ist und den besonderen Raum als Schallkörper nützt. Der Ton stellt für mich auch die Kraft dar, die geneigte Linie imaginär in eine Vertikale zurückzuholen.
Gibt es ein spezifisches Werk oder eine Installation in dieser Ausstellung, das oder die dir besonders am Herzen liegt?
RAUM-FIGUR ETA, 1999-2004, ist das zentrale Raumobjekt meiner Ausstellung. Es zählt zu den wichtigen Hauptwerken der letzten 20 Jahre. Die Rauminstallation aus Aluminium, Acrylglas und Nylon ist streng gegliedert. 80 negative gravierte Mittelworte der Gegenwart sind durch eine Stellage mit leeren Fächern (Platz für Gedanken) getrennt von 80 positiven gravierten Mittelworten der Gegenwart. Diesem offenen Raumwinkel ist ein begehbarer variabler Zaunbogen angefügt, nach außen stachelig, nach innen wie eine Gewebestruktur. Die Installation impliziert konstruktives, dialektisches Denken, Ironie, Sprache, Sinnlichkeit, alles grundlegende Elemente meiner langjährigen Arbeit.
Woran arbeitest du gerade? Was dürfen wir in naher Zukunft von dir sehen?
Vorerst stehen noch 2 Arbeiten, die Foto/Zeichnung STOPPELFELD (Zeit-Land-Anteil) / INNERE FREQUENZ 245 und die Skulptur FIGUR TAU für die Ausstellung im Museum Liaunig am Plan.
Ab September sollte meine bereits im letzten Jahr 2023 geplante Platzgestaltung in meinem Kärntner Heimatort Ludmannsdorf/Bilčovs unter meiner Leitung ausgeführt werden. Titel: LUDMANNSDORFER RHYTHMUS /BILČOVSKI RITEM.
Außerdem bin ich eingeladen, voraussichtlich im Dezember 2024 mit einem Kollegen an einer Ausstellung in einer Wiener Galerie teilzunehmen.
Auch weitere Projekte, manchmal nur die Umsetzung von Details, schwirren mir parallel zu allem Anderen durch den Kopf.
Aktuelle Ausstellung:
Meina Schellander. IN EINEN KREIS EIN QUADRAT –
im Skulpturendepot des Museum Liaunig
Adresse: Neuhaus 41, 9155 Neuhaus, www.museumliaunig.at
Meina Schellander: Geb. 1946 in Klagenfurt, lebt und arbeitet als freischaffende Künstlerin vorwiegend in Wien.
Das aktuelle Ausstellungsprojekt im Skulpturendepot des Museum Liaunig und der Katalog entstanden in Zusammenarbeit mit der BMCA Collection.