Der Mond wird dabei zum Symbol für unsere Sehnsüchte, das noch Unerreichte, aber auch für die Hoffnung, die insbesondere in Momenten persönlicher sowie sozio-ökonomischer Krisen entscheidenden Antrieb gibt.
Als einziger Himmelskörper, dessen Oberfläche von der Erde aus gesehen werden kann, verkörpert der Mond Vertrautes, das auch immer nostalgisch besetzt ist, und zugleich das Fremde – eine Anti-Heimat. Auf den Spuren kosmischer Stille, Kargheit und „Leere“, erforscht Nestor Kovachev in Zeichnungen, Heliogravüren und Malereien dieses ambivalente Verhältnis. Dabei wandelt sich sein Zoom durch das künstlerische Teleskop stetig: An geologischen Abweichungen, Kratern und Charakteristika nimmt Kovachev akribisch Maß, während er eine Vielfalt objektiver Parameter mit einem strategischen Coup versieht. Geschickt macht sich der Künstler jenen Sog zu nutzen, den der Mond auf uns unbewusst ausübt. Denn nur bei näherem Herantreten verwandeln sich die auf den ersten Blick vermuteten Fotografien eines NASA Hubble Space Teleskopes in grafische Auseinandersetzungen mit kosmischen Oberflächen, wie sie etwa schon Galileo Galilei 1610 im Buch Sidereus Nuncius unternahm.
Diese „Transformation“ hin zur Zeichnung entspricht dem Dargestellten ganz im Sinne seiner sich wandelnden, zyklischen Natur, der zudem ein mystisches Element tief eingeschrieben ist. So stehen auch nicht gigantische Ausmaße im Vordergrund – Kovachev beschränkt sich in seinen Zeichnungen sowie einer Serie von Heliogravüren konsequent auf das Kleinformat – sondern die bereits erwähnte, archäische Anziehung, die er mit ebenso archäischen Materialien, nämlich Rötel und Graphit, auf Papier zu bringen versucht. In dieser Beschränkung auf minimale Ausschnitte liegt der besondere Reiz der grafischen Werkserien, eine Abkehr vom schnellen Effekt, und in der unprätentiösen Wahl der Materialien eine angemessene Ehrfurcht.
In Moon Palace arbeitet Nestor Kovachev mit Gleichnissen zwischen Natur und künstlerischem Ausdruck. Andererseits treten Dissonanzen hervor, legen sich wie ein dumpfes, kosmisches Rauschen über die Ausstellung. Denn zu den verbindenden Elementen, mit denen der Künstler den Mond auf die Erde holen möchte, gehört auch die Einsamkeit des Ortes. Zunehmende Isolation ist die Schattenseite unserer modernen Transformationsgesellschaft, in der Klagen über fehlende Bindungen und soziale Kälte allgegenwärtig sind. Aus dem ersehnten, von den 68ern erkämpften Fortschritt und damit dem Bestreben möglichst große Distanzen zwischen Menschen untereinander, als auch zwischen Mensch und Umwelt, technologisch zu überwinden, wurde jener Verlust von Nähe und Bezogenheit, den Nestor Kovachev ebenfalls zum Ausdruck bringt. In diesem Spannungsfeld siedelt der Künstler seine aktuelle Neon-Arbeit an, einen Schriftzug, der an luxuriöse Urlaubsresorts und deren Exklusivität erinnern soll – Moon Palace, eine grelle Verheißung auf außerirdische Exklusivität, zu der wohl nur einige Wenige abheben werden können, sollte es dem kürzlich gestarteten Artemis-Programm der NASA gelingen, den Himmelskörper entsprechend unserer Bedürfnisse zu erschließen.
Nestor Kovachev *1981 in Bulgarien, lebt und arbeitet in Wien, Österreich. Er studierte an der St. Cyril and St. Methodius University in Veliko Tarnovo und an der Akademie der Bildenden Künste in Wien bei Prof. Franz Graf. 2015 wurde seine Zeichnungsserie Panzerkreuzer Potemkin in einer Einzelausstellung in der Richard J. Massey’s Foundation for Arts and Sciences in New York präsentiert. Ein Jahr später wurde er eingeladen, die Serie Panzerkreuzer Potemkin im DOM KINO, The House of Cinema in Moskau, zu zeigen. Unter anderem wurde er im Lentos Museum, Linz, im Koreanischen Kulturzentrum in Brüssel, im Haus Wittgenstein in Wien und in der SIM Gallery in Reykjavik ausgestellt. 2013 wurde er für den Canson Prix Award in Paris und 2014 für den BAZA Award for Contemporary Art in Sofia, Bulgarien, nominiert. 2015 erhielt er Stipendien vom MMCA Changdong, The National Museum of Modern and Contemporary Art, Seoul (Südkorea); 2016 Residency am CCA Andratx, Mallorca.
Ausstellung: Nestor Kovachev – Moon Place
Dauer der Ausstellung: September 2022 – 31. Oktober 2022
Adresse und Kontakt:
Galerie Petra Seiser
Weyreggerstraße 11, 4861 Schörfling
www.galeriepetraseiser.at