Das Plus- und das Minuszeichen sind nicht nur in der Mathematik wichtig, sondern auch in anderen Wissensgebieten – man denke an den Rhesusfaktor des Bluts oder an die elektromagnetischen Pole. Sie stehen nicht nur für Wachstum und Schrumpfung der Wirtschaftsleistung, sondern auch für das Auf und Ab der Beliebtheit von Politiker*innen. In den Medien werden sie oft mittels steigender bzw. fallender Kurven dargestellt, was für die quantitative Art spricht, mit der wir die Welt denken.
Die Ausstellung bezieht sich auf die binäre Basis der beiden Symbole. Bereits in den Sechzigerjahren tauchten Plus und Minus in Július Kollers frühen Malereien in Comic-Sprechblasen auf. In den Siebzigerjahren erschienen sie dann auf seinen Textkarten wieder. Schließlich platzierte sie der Künstler auf ein Möbiusband als Metapher dafür, wie relativ schnell sich politische Ansichten und Ideale ändern oder umpolen. Wie in seinem Gesamtoeuvre weitet Koller auch in den hier präsentierten Arbeiten Plus und Minus als effektive Kommunikationssignale auf die Alltagssphäre aus. In seinen Cultural Situations fungieren sie als universelle kulturelle Kodierungssysteme. Sie verweisen auf prosaische Situationen, in denen die Grenzen zwischen Innen und Außen, zwischen Wahrheit und Lüge, zwischen Kunst und Nicht-Kunst verschwimmen. Koller zeigt damit aber auch eine Methode auf, diese Widersprüchlichkeit zu erfassen und zu durchdenken.
Die Ausstellung ist in vier unterschiedlich strukturierte Teile gegliedert. Der erste Teil besteht aus Readymades aus Haushaltsobjekten, die durch Kennzeichnung mit den Kürzeln J.K. und U.F.O. zu Kunst erhoben werden. Eines davon ist DEZART (1973). Das Werk besteht aus einer leeren Pappschachtel, die ein fiktives Produkt verpackt, nämlich ein kulturelles Hygieneprodukt zur Beseitigung von schlechten sozialen Gerüchen. Es stammt aus einer Zeit, als der Künstler vermehrt die politische Atmosphäre seines Landes kommentierte. Indes passt DEZART auch zu aktuellen Fragen, besonders zur anhaltenden Pandemie.
Der zweite Ausstellungsteil besteht aus dem 1974 entstandenen Projekt realistického UFO (U.F.O.) mit einer Serie von neun Collagen aus Konsumgüterverpackungen. Der Werktitel spielt ironisch auf die Doktrin des sozialistischen Realismus an, die von allem akademisch ausgebildeten Künstler*innen forderte, den Kampf für eine klassenlose Gesellschaft zu thematisieren. Koller stellt diesen Kampf allerdings in einen Zusammenhang mit Konsum, Massenproduktion und technischer Reproduzierbarkeit. Durch die Isolierung verschiedener Produktverpackungen auf einem leeren Blatt schafft er neue Konsumikonen.
Der dritte Teil der Ausstellung umfasst Gemälde mit Tusche auf Papier sowie eine fotografische Dokumentation des Malprozesses. Die Fotografien von Kvetoslava Fulierová mit dem Titel Štetcovanie (U.F.O.) / Paintbrushing (U.F.O.) aus dem Jahr 1982 zeigen Július Koller bei der Arbeit in seiner Wohnung, die ihm als Atelier und Ausstellungsraum zugleich diente. Der Künstler demonstriert hier seine emphatische Rückkehr zur Malerei mit Pinsel und Tusche, mit denen er seine eigene Version von Neo-Expressionismus und Bad Painting schuf.
Der vierte und wichtigste Teil widmet sich Kollers Vertiefung in die magische Wellenform und keltische Symbole. Die Ausstellung präsentiert zwei Hauptwerke aus den frühen Neunzigerjahren, nämlich die Installation Nová Vážnosť (U.F.O) / New Seriousness (U.F.O) aus 1990 sowie die Malerei-Installation Veľké U.F.O. / Big U.F.O. aus 1995. Die Gitter- und Wellenformen zitieren weiterhin das Frühwerk Kollers. Jedoch begann er erst 1974, sie auch als magische Symbole zu verwenden, und zwar im Zusammenhang mit dem Konzept einer unterirdischen Zivilisation und einer Kultur, die mit dem sagenumwobenen, versunkenen Atlantis in Zusammenhang steht.
Big U.F.O. (1995) wurde erstmals zusammen mit Malé U.F.O. / Small U.F.O. im Rahmen der Ausstellung Dream of a Museum (Sen o múzeu) im Haus der Kunst in Bratislava ausgestellt. Anders als normalerweise hängt das Bild nicht an der Wand, sondern schwebt in einem Netz waagrecht über dem Boden. Die großformatige Hartfaserplatte ist mit einem zickzackgemusterten Netzmotiv bemalt ist, also mit einer gebrochenen Variante der Welle. Es verweist auf die drei Hügel des slowakischen Nationalwappens, zugleich aber auch auf das Motiv der Swastika. Solche Varianten magischer Symbole prägten Kollers Oeuvre, seit in seinem Heimatland als Folge der Desillusionierung und der Ungewissheit hinsichtlich der kommenden Demokratie nationalistische Tendenzen aufkamen.
In der sogenannten Übergangszeit, kurz nach dem Fall des kommunistischen Regimes und zwanzig Jahre, nachdem Koller begonnen hatte, das Fragezeichen in seiner Kunst zu verwenden, deutete er dieses persönliche Unsicherheitssymbol in das Symbol der Kommunikationswelle um. So wurde die Welle 1990 als New Seriousness (U.F.O) erstmals im Rahmen einer gemeinsamen Ausstellung mit Peter Rónai in der Galerie der Slowakischen Stiftung für bildende Kunst in Bratislava präsentiert. Fünf Reihen von Limonadengläsern, in zwei parallelen Bögen geschwungen, spielen auf das Motiv einer Menschenmenge an. Die Installation ist auf weniger als ein Jahr nach den Protestkundgebungen datiert, mit denen man den Willen, die kommunistische Regierung zu stürzen, zum Ausdruck gebracht hatte. Die zerbrechliche Menge leerer Gläser hat die Form einer Welle, die destabilisierenden Kräften ausgesetzt ist. Auf einigen Fotografien hat Július Koller bewusst den Bruch der Kontinuität durch Gläser dargestellt, die umgekippt und zerbrochen sind, wo zufällige Kollisionen die Einheit verletzen. Július Kollers Welle ist ein Werk, das heute wie auch in den Neunzigerjahren, als sich die Grenze zwischen der Slowakei und Österreich öffnete, die Grenzen der Offenheit europäischer Demokratien in Frage stellt.
Ausstellung: Július Koller: Plus Minus U.F.O. von kuratiert Daniel Grúň
Eröffnung: Donnerstag, 10. März 2022, 16–20 Uhr
Dauer der Ausstellung: 11. März bis 23. April 2022
Die Ausstellung ist eine Koproduktion mit der Július Koller Society, Bratislava. Július Koller, geboren 1939 in Piestany (SK), verstarb 2007 in Bratislava (SK). 2016 widmete das mumok Wien Koller eine umfangreiche Retrospektive.
Adresse und Kontakt:
Galerie Martin Janda
Eschenbachgasse 11, A-1010 Wien
www.martinjanda.at