Im Augenblick ist Paul Gehri Diplomand an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee bei Else Gabriel. Außerdem ist er als „Special Boy“ Gast der Performance-reihe TOTER SALON von Sophia Süßmilch und Lydia Haider an der Volksbühne Berlin. In seinen Arbeiten verhandelt Paul Gehri die Formen und die Intentionen Menschlicher Interaktion mit der materiellen- und organischen Welt, versucht die Regeln von Objekt und Material zu verstehen und die Fremdheit zwischen Subjekt und Objekt zu erfassen. Seine Laufbahn begann der Künstler in der ländlichen Crustpunk-Szene in Süddeutschland, und so ist in seinen Arbeiten ein gewisses Interesse an Schmutz und Patina, Korrosion und Zerfall, Stacheln und Sozialem, genauso wie eine tiefe Liebe für alles was wächst und Früchte trägt spürbar.
Wie würdest du deinen Stil beschreiben?
Meine Arbeiten sind schon geprägt von einem liebevollen und behutsamen Blick auf die Welt. Das wichtigste Werkzeug zur Erschließung der Welt ist für mich der Tastsinn, die Haptik, und dass sieht man auch in den Arbeiten. Ich glaube aber ehrlich gesagt dass mein Stil noch nicht so verfestigt ist dass ich in wenigen Sätzen beschreiben könnte was mein Kunstschaffen in der Masse ausmacht und verbindet, was ich auch diesem Moment im Leben, Studienabschluss und Aufbruch in eine neue Selbstständigkeit, angemessen finde. Es sind eher die oben genannten Eigenschaften, zusammen mit bestimmten Interessen und Eigenheiten meinerseits, vielleicht auch Interessensgebieten, die als Handschrift sichtbar werden. So ein bisschen Arte povera, ein bisschen Expressionismus, Antiform und Softness, so was. Das Ziel ist den Arbeiten viel Gefühl zuzugestehen, und gleichzeitig sperrig zu bleiben. Inhaltlich und materiell.
Womit beginnst du deine Arbeiten? Wie entstehen diese?
Unterschiedlich. Aber ich überlege oft zuerst welches Material mich interessiert, dann überlege was da hinein soll in die Arbeit, an Erzählung, Materialität, Emotion, welche Dimensionen, Zeitlichkeit und Temperatur, und formuliere dass dann beim Arbeiten weiter aus. Es ist mir auch daran gelegen das verkopfte und die ganzen Abgrenzungsbedürfnisse die ich habe mit Spiel und Witz ein bisschen auszukontern.
NaturEcke 2019 NaturEcke 2019
Wo fühlst du dich in Karlsruhe am wohlsten?
Bei Freund*innen im Atelier. Da hab ich das Gefühl ich bin zuhause, obwohl dort nichts mir gehört.
Toter Salon 4 – Wollust. Was machst einen Special Boy aus?
Der Wille zu dienen und einen guten Job zu machen. Gut aussehen und Bühnenpräsenz hilft, genauso wie die Bereitschaft sich Schmutzig zu machen.
Was ist „Endlagerromantik“?
Endlagerromantik ist vielleicht dreierlei: Zuerst einmal ist es der Name einer Onlineplattform, eines Medienkollektivs, eines Komitees. Endlagerromantik ist ein Sonnenaufgang über einer Müllhalde, Endlagerromantik ist ein Garten in den Ruinen der Welt. Endlagerromantik ist außerdem ein Begriff und hat viel mit dem Atommüll-Endlager zu tun. Das Atom-Endlager ist ein großes unhaltbares Versprechen, mit der die Politisierung einiger Generationen eng verknüpft ist, ein Oxymoron, das wir uns aneigneten, um es in den Griff zu bekommen. Auch der Begriff „Romantik“ ist ja stark ambivalent, als Epoche der Geburt des Deutschen Nationalismus, des Romantischen Liebesideals, aber auch Romantik als Pathosmoment, dem mensch sich schwer entziehen kann. Und zum Schluss ist Endlagerromantik eine Keimzelle, ein Samen, eine Hoffnung, dass aus diesem ganzen Chaos etwas sprießen kann was am Ende, im Rückblick, Blüten der Sinnhaftigkeit trägt.
Woran arbeitest du gerade?
Im Augenblick arbeite ich an meiner Diplomarbeit, und nebenher plane ich den Umzug in die Bayrische Provinz. Für die Diplomausstellung im Sommer mache ich eine Arbeit mit Installation und Performance, dabei wird eine Bronzeplastik eine Rolle spielen, und es geht so grob darum dass das Andere, das nicht-Eigene, also quasi alles, Tier, Objekt, Pflanze, Kunstwerk, einem immer fremd gegenübersteht, und genauso wie wir die Welt anschauen, genauso schaut da auch immer was zurück, vor allem wenns Augen hat. Und diese Fremdheit birgt ja immer so ein gewisses Potential, dass wir überrascht werden. Damit beschäftige ich mich schon über einen längeren Zeitraum, mit dem Potential von Kunstwerken jetzt ganz konkret, und diese Arbeit ist einer von vielen Schritten in diesen Möglichkeitsraum des unzugänglichen hinein.
Im Sommer ist die Arbeit in Berlin zu sehen. Der Umzug nach Niederbayern ist dann kurz nach dem Abschluss im August geplant, ich ziehe auf einen alten Vierseithof im Landshuter Umland, das Hofsyndikat Angersdorf, wo Freund*innen von mir seit ein paar Jahren ein Hausprojekt aufbauen und wo neben lokaler Vernetzung und politischer Bildung auch Atelierräume entstehen und Kunst gemacht wird. Gewissermaßen ist das eine Rückkehr zu meinen Wurzeln, aber auch ein Aufbruch an einen Ort wo Kunst nicht so allgegenwärtig ist wie in Berlin, und wo es gewissermaßen einen Bedarf zu stillen gibt. Darauf freue ich mich.
Paul Gehri – www.instagram.com/p.gehri/