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Wien Kunst

Dora Mai im Interview

Dora Mai beschäftigt sich in ihrer künstlerischen Arbeit mit Menschen, Beziehungen, Nähe und Distanz – räumlich als auch zeitlich. Die Malerei versteht sie als Gelegenheit, Vergangenes in die Gegenwart zu überführen, den Moment physisch festzuhalten und weiterzuentwickeln. Dieses Interesse findet sich auch in der von ihr initiierten Female f23 wieder, die von 24.-30.09.2021 in der Kulturfabrik F23 stattfindet – ein kollektives Ausstellungsprojekt, das sich um zwischenmenschliche Beziehungen und deren Verschiebungen dreht.
Künstlerin Dora Mai
Künstlerin Dora Mai. Foto: Stefan Knittel

Wie sieht deine künstlerische Praxis aus und welche Themen verarbeitest du?
Das ist ein ununterbrochener Dialog und Prozess bei mir. Einerseits mit Ideen und Gedanken, die mich beschäftigen. Andererseits spielt die Auseinandersetzung mit meiner direkten Umgebung eine große Rolle – mit Farben, Räumen, Menschen und Dingen. Immer wieder findet dieser Dialog dann eine Aussage, eine Form, die entsteht. All dem zugrunde liegt eine intensive Recherche, die sich dann in gemalten Bildern, als Serien auf Leinwänden, manifestiert. Diese Serien behandeln verschiedene Themen. Das verbindende Glied ist wohl immer das Zeitliche und Vergängliche, der Aspekt des unwiederbringlichen Moments. Durch Fotos festgehalten wird der Augenblick sowohl durch die Erinnerung und bei mir physisch, im Malprozess, in ein neues Jetzt geholt und weiterentwickelt. Meine aktuelle Serie beschäftigt sich mit dem Berühren, auch hier geht es um das Paradox zwischen Festhalten und dem Flüchtigen, Ephemeren, aber auch um Nähe und Distanz. Das ist emotional für mich, wenn auch sehr leise und ohne laute Gesten.

Was ist die Female f23, die Ende September stattfinden wird?
Die Female f23 ist eine Ausstellungsreihe, die letztes Jahr entstanden ist. Dahinter steht die Idee, regelmäßig weibliche, zeitgenössische Kunst zu zeigen, auch abseits vom etablierten Kunstmarkt. Das Besondere ist, dass die Arbeiten der Künstler*innen nicht getrennt in Räumen gezeigt werden, wie bei Ausstellungen und Messen üblicherweise, sondern zu einem bestimmten Thema in Dialog miteinander treten.

Luisa Hübner, Christiane Peschek, Veronika Suschnig und ich werden dieses Jahr die Ausstellung gestalten und stehen in einem sehr konstruktiven Austausch und Miteinander.

Kannst du mehr zu der Idee dahinter erzählen?
Zum Thema „Tektonik der Beziehungen“ werden die Arbeiten der Künstler*innen in Dialog treten. Es geht um folgende essentielle Fragen, wie beispielsweise: Wer sind wir? In unseren Beziehungen? Privat? Öffentlich? Welche Verschiebungen finden statt? Welche Kräfte wirken hier? Diese Fragen sollen dann in einem kommunikativen Diskurs mit den verschiedenen künstlerischen Zugängen beleuchtet werden. Besonders ist, dass gemeinsam auf Augenhöhe und ohne Hierarchien ein feministischer Zugang entstehen kann, der viel freier agiert als unter institutionellen Gegebenheiten.

dora mai

Wie haben sich die Künstler*innen zusammengefunden?
Wesentlich war es, Künstler*innen zu finden, bei denen das Thema „Beziehungen“ Bestandteil der künstlerischen Auseinandersetzung ist und, die verschiedene Zugänge sowohl inhaltlich als auch medial haben, um in einen spannenden Dialog zu treten. Ich denke, unsere Schnittmenge ist die Akademie der Bildenden Künste, an der jede von uns studiert hat. Durch Kontakte, Gespräche, über ein gewachsenes – weibliches – Netzwerk haben wir uns dann gefunden.

Generell – wie fühlst du dich als Frau und Künstlerin in der Gesellschaft und wie sieht es mit der Sichtbarkeit von Künstler*innen aus?
Ich habe kürzlich ein Zitat von Buckminster Fuller gelesen, frei zitiert: Wenn man etwas ändern will, sollte man nicht das Alte bekämpfen, sondern etwas Neues schaffen. In der westeuropäischen Kunstgeschichte und am aktuellen Kunstmarkt kann man rasch ablesen, dass Frauen unterrepräsentiert sind. Wir haben mit der Female f23 ein Format geschaffen, in dem dezidiert weibliche Kunst sichtbar gemacht wird. Auch Künstler*innennetzwerke, wie die seit fast 50 Jahren bestehende IntAkt oder jüngere, international aufgestellte Netzwerke, wie der Saloon, leisten hier einen wesentlichen Beitrag, weibliche Stimmen in der Kunst sichtbar zu machen und zu thematisieren. Dass Lebensläufe von Frauen in der Kunst nicht immer linear verlaufen, sollte kein Problem mehr sein, vor allem nicht in 2021. Genau diese Themen wollen wir bei unsern Artist Talks behandeln, die außergewöhnlich – in einem Bett stattfinden – also Schlafzimmergespräche werden.

Kulturfabrik F23
Kulturfabrik F23

Kannst du die Schlafzimmergespräche näher ausführen?
Die Ausstellungsräume beinhalten auch eine Filmwohnung für eine Kinoproduktion und diese Szenerie, dieses Private im Öffentlichen nutzen wir für einzigartige Gespräche: Jeweils im Duo schlüpfen wir in pyjamagleiche Kostüme und führen ein „Bettgespräch“ auf sehr intime Art über unsere künstlerische Praxis, feministische Zugänge in der Kunst und natürlich über das Thema der Ausstellung.

Kunst und Kultur in die Außenbezirke zu bringen, wird ja immer wichtiger. Was spielt sich denn im 23. Bezirk so ab?
Zum Glück wird mittlerweile erkannt, dass Kunst und Kultur nicht nur ein Thema der Innenstädte ist. Auch Bewohner*innen der „Außenbezirke“ – schon diese Bezeichnung zeigt ja die Position der Sprechenden – brauchen und wollen in ihrer direkten Umgebung kulturelle Inputs, Sinneseindrücke und Begegnungen. Das F23 ist ein Ankerzentrum der Stadt Wien Kultur und ein Zentrum für innovative und hochwertige Kulturveranstaltungen. Das Kammeropernfestival „Die Verbesserung der Welt“ des Sirene Operntheaters oder das zeitgleich mit unserer Ausstellung „Redrules- Sex-Conference und Performance“ im Rahmen des WirsindWien-Festivals stattfindet, sind spannende Events. Mit der Female f23 wollen wir eine wiederkehrende Marke schaffen, die zeitgenössische Positionen weiblicher Kunst zeigt.

Dora Mai – www.doramai.at
Kulturfabrik F23 – www.f23.at


Über die Interviewerin: Paula Marschalek, BA MAS ist eine österreichische Kunsthistorikerin und Kulturmanagerin. Sie studierte Kunstgeschichte an der Universität Wien und setzte ihre Ausbildung an der Universität für angewandte Kunst fort, wo sie ihren Master in Kunst- und Kulturmanagement abschloss. Sie arbeitete in renommierten Kunstinstitutionen wie dem Dorotheum und dem Kunsthistorischen Museum, sammelte Erfahrungen am Kunstmarkt als Kommunikations-managerin bei der Galerie Rudolf Leeb und absolvierte von September 2019 bis März 2020 ein Kulturmanagement-Stipendium im MAK Center in Los Angeles, USA. Sie schreibt Texte für Kunstmagazine. Mit Marschalek Art Management entwickelt sie individuell zugeschnittene Kommunikationsstrategien für Kunst- und Kulturschaffende. www.marschalek.art