Auszug aus einem Text von Johannes Van Meegen, Kurator: „Mit dem Thema Auflösung beschäftigt sich Reiner Heidorn auch in seinem neuesten Werkzyklus Dissolutio, diesmal im Digitalen und in der Natur. Großformatige Ölbilder verbinden Monochromie mit dem asiatischen Manga-Style. Die unterschiedlichen, an Lasuren einer Keramik erinnernden Malschichten verleihen den Bildern eine ungewöhnliche Strahlkraft und zugleich Spiritualität. Wie aus einem kostbaren Mikrokosmos heraus, der sich dann in großen Formaten zu einem Makrokosmos entwickelt, baut sich eine zurückhaltende expressive Farbharmonie auf, die laute und derbe Gesten vermeidet und stattdessen kontemplative Verhaltenheit vermittelt. Ermöglicht wird dies durch den kaum erkennbaren, eigenwilligen Pinselduktus, der das Dripping des amerikanischen Abstrakten Expressionismus mit sparsamer Linienführung und einer subtil differenzierten Farbigkeit kombiniert.
Figurative Elemente und räumliche Linienzuführungen sind nicht vorhanden. Fleckenhaft amorphisch in spontaner und gleichzeitig fragiler Handschrift geführt, sammelt sich Farbe zu einer Formation, die erst im Entstehen begriffen zu sein scheint. An keiner Stelle greifen ordnende Linien oder Umrisse in das Geschehen ein. Der intuitive Malprozess bleibt primäres Anliegen. Anstelle der überlegten Komposition tritt das Handeln aus dem Unbewussten. Der Künstler wischt, kreist, fährt auf und ab, wird im Malakt schnell und langsam, verdichtet Farbpartien und lässt andere aprupt transparent.“
Wie entstehen deine Arbeiten?
Mit den Jahren hatte ich irgendwann das Bedürfnis, das Thema Auflösung, Verschwinden zu thematisieren und entwickelte daraufhin meine eigene Ölmalerei-Technik, bei der in die Farbe einätzende Sprenkel einen 3D Pointillismus erzeugen, wie man ihn bei Mikroskopaufnahmen von Pflanzen und Süßwasser findet. Alle Arbeiten entstehen auf dem Boden liegend.
Welche Ansprüche hast du an die Kunst?
Wenn ich mit Kunstwerken konfrontiert werde, möchte ich in irgendeiner Weise überrascht oder beeindruckt werden, sei es durch die Technik, das Motiv oder die Farben. Der ästhetische Einrichtungsgedanke oder das Einfügen in aktuelle Trends sind irrelevant. Ich finde es wichtig, dass ein Künstler hinter seinem Werk zurücktritt und das gewählte Medium unabhängig von Zeit und Ort ultimativ funktioniert.
Wie möchtest du wahrgenommen werden?
Am schönsten fände ich es, wenn man bei der Erwähnung meiner Malerei den ewig sprudelnden grünen Kosmos meiner Bilder vor Augen hat. Ansonsten würde ich mich als modernen Expressionisten bezeichnen. Meine weitere Serie mit den asiatischen Manga Figuren (immer dieselbe, ein Mädchen mit Katzenohren und Schwanz im Nachthemd) verhindert ein wenig eine strikte Kategorisierung zum Landschaftsmaler, das finde ich gut.
Künstler. Reiner Heidorn Künstler. Reiner Heidorn
Woher schöpfst du deine Kraft?
Seit über 30 Jahren betreibe ich unterschiedliche Ateliers, Hallen mit Malerei. Das ist schon längst ein völlig selbstverständlicher Teil meines Alltags geworden. So wie andere Menschen am Berg wandern, Fahrrad fahren oder verreisen, erschaffe ich ununterbrochen und eigentlich mühelos neue Leinwände.
Wie reagieren die Betrachter auf deine Arbeiten?
Das ist eine sehr gute Frage, die ich vor allem nun beantworten kann, nachdem meine Bilder in USA, Frankreich, China, Brasilien und Österreich ausgestellt wurden: Immer auf dieselbe Art und Weise; die Menschen betreten die Galerie und fühlen sich oft sofort wie inhaliert von den Leinwänden. Immer wieder hörte ich die Aussage, man fühle sich an seine Kindheit erinnert, als wenn man in einen See sprang oder ein Gewitter erlebte. Die archaische Struktur und das Gewicht der Leinwandflächen erschließt sich einen erst beim realen Betrachten.
Frühling oder Herbst? Warum?
Unsere bayrische Landschaft ist bekannt für blauen Himmel und grüne Sommerwiesen. Ich persönlich finde die Übergangszeiten um den Winter am schönsten, mich interessieren aufgegrabene Äcker, Schilf und grauer Himmel. Letztendlich verringert sich der Kosmos, aus dem ich meine Sujets erarbeite auf einen unmittelbaren Umkreis; und der rührt mich am ehesten in unwirtlicheren Witterungsverhältnissen.
Ich persönlich finde die Übergangszeiten um den Winter am schönsten, mich interessieren aufgegrabene Äcker, Schilf und grauer Himmel.
Wie verbringst du deine Freizeit?
Ich bin tatsächlich ein klassisch ausgebildeter Musiker in hindustanischer Musik, ich spiele täglich Sitar und Surbahar. Ausserdem koche ich die ganze Zeit.
Woran arbeitest du aktuell? Ist eine Ausstellung in Planung?
Aktuell ist für mich immer nur eines interessant: Die nächste Leinwand, das neue Sujet. Zur Zeit stelle ich eine neue Serie zum Thema „See, Teich“ fertig, wobei mich vor allem die Ränder der Ufer interessieren. Im Mai stelle ich im Guidecca Art District in Venedig aus, im Juni in der Lei Xiang Gallery in Taipei. Ansonsten bin ich noch im Max-Planck-Institut für Biochemie in München zu sehen, sowie in der Galerie Jörg Heitsch/München/Gärtnerplatz.
Reiner Heidorn – www.reinerheidorn.com