Bereits von Außen macht die Ausstellung mit einer großformatigen Neonschrift auf sich aufmerksam: „A CITY REDUCED TO ASH“ (deutsche Entsprechung: Eine Stadt in Schutt und Asche). In weißen Neonbuchstaben leuchtet der Schriftzug an der Fassade des Galeriegebäudes. Besonders nachts, wenn die Stadt zur Ruhe kommt, wirkt er dabei wie eine apokalyptische Prophezeiung. „Trotz mehrmaliger Verschiebung der Ausstellung habe ich mich dazu entschieden, die Neon-Installation im Außenraum bereits vor der Eröffnung zu aktivieren, um mit den PassantInnen im öffentlichen Raum zu kommunizieren. Kunst ist in den vergangenen Monaten mehr und mehr aus unserem Leben verschwunden. Umso wichtiger ist es, dass sie unsere Lebenssituation wieder unerwartet durchbricht und Prozesse der Reflexion in Gang setzt. Durch den Lockdown und die Bedrohung durch die Pandemie verändert sich auch die Lesart und die Reichweite der Neonschrift: sie bezieht sich nicht auf ein zeitlich oder örtlich entferntes Szenario, sondern in ganz direkter Weise auf unseren jetzigen Alltag.“ (Zitat Katharina Gruzei)
Düster und zugleich anmutig geht es auch im Inneren weiter. Hinter einer Lichtschleuse überrascht Gruzei die BesucherInnen mit einem kinohaften Setting und einem großformatigen Video. Im umgebauten Hauptraum empfängt sie die BesucherInnen mit ihrem Video „YAW“, in welchem sie dem Begriff der Goldhaube nachspürt. Dabei stellt Sie den traditionellen österreichischen Kopfschmuck dem gleichnamigen System zur Luftraumüberwachung gegenüber. Der Flughafen in Hörsching und eine Radaranlage unweit von Linz waren ebenso Drehort, wie ein bühnenhaftes Setting mit zwei ProtagonistInnen, die eine Goldhaube bis auf ihr Skelett zerlegen. Im Prozess des Sezierens der Goldhaube lässt die Künstlerin die vielen Stunden handwerklicher Arbeit förmlich rückwärts ablaufen.
Im letzten Raum, der genauso lichtsensibel gestaltet ist, erwartet die BesucherInnen eine Neon- Installation, die sich mit dem experimentalpsychologischen Phänomen des Stroop-Effekts beschäftigt. Zudem findet sich dort ein Spiegelobjekt, das Gruzei in Rückgriff auf Fotografien aus einem Polizeiarchiv entwickelt hat sowie ihre analogen Farbfotografien aus der Serie „Every Shade an Image“, die namensgebend für die Ausstellung ist. Gruzei bezieht sich im Titel sowohl auf das bildgebende Licht, das den Schatten erst erzeugt, als auch auf den imaginären Raum der im Schatten verborgen liegt; das Unsichtbare, die Dunkelheit als Leerstelle, als Ort der Interpretation und Imagination. Sie erschafft eine stimmungsvolle Bilderwelt, in offenen, assoziativen Motiven umkreist sie die Thematik der Identität und lässt dabei die Grenze zwischen Wahrnehmung und Einbildung verschwimmen.
Licht ist ein zentrales Thema in meinem Werk. In Form von Lichtinstallationen, Fotografien, Videos und Filmen habe ich mich immer wieder damit auseinandersetzt. Es war mir ein Anliegen, gerade in dieser schwierigen Zeit, in der es scheinbar nur wenige Lichtblicke gibt, eine Ausstellung zu gestalten, in der Licht und Schatten eine besondere Rolle spielen – Katharina Gruzei
Über die Künstlerin: Katharina Gruzei, geboren 1983, lebt und arbeitet in Wien und Linz. Sie arbeitet als freischaffende Künstlerin in den Medien Fotografie, Video, Film, Sound und Installation. In ihren künstlerischen Arbeiten spürt sie gesellschaftlichen Tendenzen nach und widmet sich soziokulturellen Themen. Ein weiterer Schwerpunkt sind feministische Themen und das Realisieren von Projekten im öffentlichen Raum, die sie meist ortsspezifisch umsetzt. Katharina Gruzei studierte Bildende Kunst in der Klasse für Experimentellen Gestaltung und Kulturwissenschaften an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz. Auslandsstudien absolvierte sie am Art Department der University of California in Santa Barbara und an der Universität der Bildenden Künste Berlin in der Meisterklasse für Cultural Visual Studies bei Katharina Sieverding. Ihre Werke werden in internationalen Ausstellungen, Biennalen und Festivals gezeigt. So war sie z.B. im Jahr 2016 auf der Moscow International Biennale for Young Art vertreten. Im Jahr 2018 folgte eine Einzelschau im Lentos Kunstmuseum in Linz und eine Ausstellungsbeteiligung im Tokyo Metropolitan Art Museum in Japan. 2020 zeigte sie Auszüge ihrer Fotoserie „Mir Metro“ als Einzelschau im Kabinett des Salzburger Kunstvereins und war an einer Gruppenausstellung in Tokio sowie im Bank Austria Kunstforum Wien beteiligt. Katharina Gruzei erhielt zahlreiche Preise und Stipendien, u.a. den Theodor Körner Preis, das Ö1 Talentestipendium, das Linz-Export Stipendium, das Fohnstipendium, den „Award for best Experimental Short“ am Nashville Filmfestival USA, den Energie AG Preis und den AK Kunstpreis Linz. Auslandsstipendien erhielt sie für Los Angeles, Paris, Moskau und Tokio. Im Jahr 2019 führte sie ein Atelierstipendium des Bundeskanzleramts nach New York an das ISCP – International Studio & Curatorial Program. Ihre aktuellste Monografie „Bodies of Work“ über die Linzer Schiffswerft wurde für die Shortlist des Deutschen Fotobuchpreis 19|20 ausgewählt. Mit der gleichnamigen Fotoserie war Katharina Gruzei für den August-Sander-Preis 2020 nominiert. 2020 wurde sie mit dem Staatsstipendium für Fotografie und dem Margret Bilger Stipendium vom Land Oberösterreich ausgezeichnet.
Ausstellung: Katharina Gruzei – Every Shade an Image
Ausstellungslaufzeit bis zum 9. April 2021
Adresse und Kontakt:
Galerie MAERZ
Eisenbahngasse 20, 4020 Linz
www.maerz.at