Die Ausstellung vereint sehr unterschiedliche Beiträge nah an der Grenze zur Ungegenständlichkeit, anhand derer sich Formen des Umgangs mit künstlerischen Abstraktionsprozessen ausgezeichnet herausarbeiten lassen. Ausgehend von der Relevanz der Einzelwerke, haben wir versucht, Korrespondenzen, Verbindungen oder Gegensätze zu verdeutlichen, die sich zu einer kraftvollen und gleichzeitig sensiblen Gesamtheit formen, ohne jedoch das einzelne Werk zu diskreditieren.
Wir möchten Sie hiermit sehr herzlich dazu einladen, das Ergebnis vor Ort zu sehen und zu reflektieren.
Während eine der kleinformatigen Kreidezeichnungen der Künstlerin Bettina Blohm (1961), die sie regelmäßig en plein air auf einem Berliner Friedhof zeichnet, im Ungefähren zwischen realem Landschaftsbezug, freier Form und intimer Linie mäandert, ist die architektonische Referenz in der Arbeit Edges (Haus Feininger II) der norwegischen Künstlerin Ingrid Lønningdal (1981) beinahe nur noch koloristisch zu erahnen. Lønningdal malt die entlehnten Formen auf einen gewebten Wandteppich, der sich nach unten hin auflöst, wobei ihre künstlerische Praxis selbst mit den verbindenden Ideen des Dessauer Bauhauses zu korrespondieren scheint.
Einen anderen Ansatz verfolgen die konzeptuell angelegten Zeichnungen des niederländischen Künstlers Marc Nagtzaam (*1968), von dem wir die Arbeit Performing a collection – Variation 2020 zeigen, die sich aus seiner Sammlung von Vorlagen von Buchcovern, Postern oder Bildern herleiten, diese aber bis zur Unkenntlichkeit reduzieren und sich zu eigenständigen, graphisch strukturierten Neuentwürfen zusammenziehen, die Nagtzaam in einem zirkelschlagenden Arbeitsprozess immer wieder reflektiert.
Im Zentrum der Ausstellung zeigen wir eine Arbeit des französischen Altmeisters Claude Viallat (*1936). Einen – von der Galeriedecke abgehängten – übrig gebliebenen Bezug einer ehemaligen Strohmatratze (1987/105): einerseits entleert und trivialisiert, andererseits angereichert und aufgeladen durch seine virtuose Malerei, die sich selbst Stoff genug ist.
Das gegenüber platzierte, späte Gemälde von Erich Reusch (1925–2019) lässt dagegen auf geradezu exemplarische Weise seine frühen revolutionären Ideen der dezentralen Skulptur und des Raumes als existenzielle Größe erkennen. Als Landschaft konzipiert, spannt Reusch den (weißen) Raum zwischen zwei (schwarzen) Markierungen gestisch auf.
Die Berliner Künstlerin Shila Khatami (*1976) ist mit zwei Bildern in der Ausstellung vertreten: zum einen mit dem im Entrée gezeigten Werk Slash Slash aus dem Jahr 2018, in dem die dominante Entität des doppelten Schrägstrichs die malerische Gestik ebenso betont wie aushebelt; zum anderen mit der Arbeit ausradiert von 2017, in der die Löschfunktion nicht nur Mittel, sondern eigentlicher Inhalt der bildnerischen Auseinandersetzung ist.
Entleert ist auch das großformatige, farblose Interieur (21002) des Künstlers Jan Wawrzyniak (*1971), das – leicht aus der Form – räumliche Tiefe suggeriert, indem es die Perspektiven eines Raumes flächig andeutet, diese aber gleichzeitig paradoxiert und wieder aufhebt, so dass sich eine Erfahrung der Unverfügbarkeit einstellt: Die Blickbahn als visuelle Sackgasse.
Wir haben diese Arbeit mit einem der beiden kleinformatigen Bildobjekte Ohne Titel der Künstlerin Elisabeth Vary (*1940) kontrastiert, deren malerische, farbliche und räumliche Präsenz ihresgleichen suchen. Form, Farben, Fläche, Körper, Materielle Qualität, Bearbeitungsspurem – Malerei und Skulptur kulminieren in jedem einzelnen Werk.
Last but not least haben wir die brasilianische Künstlerin Carla Guagliardi (*1956) um eine Neuauflage ihrer Skulptur Gaspar (2007/2021) gebeten. Im Portugiesischen heißt Gaspar „zwei Gase“ und der weiße Doppelballon, den die Künstlerin verfügbar gemacht hat, wird wie ein Geist durch die Ausstellung schweben und auch dann über sie wachen, wenn niemand kommt.
Künstler*innen: Bettina Blohm, Carla Guagliardi, Shila Khatami, Ingrid Lonningdal, Marc Nagtzaam, Erich Reusch, Elisabeth Vary, Claude Viallat, Jan Wawrzyniak
Dauer der Ausstellung: 26. Februar – 25. April 2021
Adresse und Kontakt:
kajetan Berlin
Raum für Kunst
Gneisenaustraße 33, Fabrikgebäude, 1. Hof
www.kajetan.berlin