Seit wann hast du einen OnlyFans Account? Was waren deine Beweggründe dafür?
Ich war schon länger auf Instagram aktiv, musste aber wegen der Richtlinien viel von meinem Inhalte zensieren oder konnte gewisse Dinge von vornherein nicht posten. Ich verstehe, dass gewisse Inhalte nicht für minderjährige geeignet sind, aber Nacktheit hat nicht automatisch was mit Sex zu tun. Diese Auffassung entsteht durch die Medien, wo Frauen permanent sexualisiert werden. Ich finde nicht, dass man Kindern und Jugendlichen beibringen sollte, dass ein nackter Frauenkörper automatisch mit Sex zu tun habe und dass Frauen sich verstecken müssten, um sich vor sexuellen Übergriffen zu schützen. Auf Instagram wird zum Teil rassistisches, sexistisches und schlichtweg menschenverachtendes Gedankengut verbreitet, Menschen werden öffentlich zu Gewalt und Hass aufgerufen. Davor sollten Kinder geschützt werden, aber doch nicht vor einem weiblichen Nippel. Als ich dann von OnlyFans erfahren habe und dass man dort auf Grund der anderen Richtlinien mehr Freiheiten hat, war ich daher direkt sehr interessiert. Ich habe viel Negatives darüber gehört aber da ich kein Mensch von Vorurteilen bin wollte ich mir die Seite mal selber ansehen. Seit einem Monat poste ich dort regelmäßig Content in Form von Fotos, Videos und Texten.
Was von Instagram also als „Zensur pornografischer Inhalte und zum Schutz Minderjähriger User“ getarnt wird, ist für mich eindeutige Unterdrückung, Diskriminierung und entspricht einfach nicht der Wahrheit.
Was macht dir Spaß?
Mit Menschen zu sprechen, zu lachen. Neue Erfahrungen sammeln, meinen Horizont erweitern und vor Allem ständig in Bewegung zu sein. Mein schlimmster Albtraum wäre es irgendwann stehenzubleiben, ein Leben im Autopiloten zu führen und mit Reue auf all die Dinge zurückzublicken, die ich gerne gemacht hätte, aber mich nie getraut habe. Ich liebe es Künstlerin zu sein und mich selbst zu verwirklichen. Nichts erfüllt mich mehr als meine Gedanken, Gefühle, Erfahrungen in einem kreativen Prozess auszudrücken und mit der Welt zu teilen. Einerseits weil es mir Spaß macht, andererseits weil das gleichzeitig meine Methode ist der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten und zum Nachdenken anzuregen. So klischeehaft das nun klingt, aber was gibt es Schöneres als das zu tun was man liebt und gleichzeitig ein Stück weit die Welt zu verändern, sie idealerweise zu verbessern?
Moderner Feminismus bedeutet für dich?
Moderner Feminismus bedeutet für mich dasselbe wie „normaler Feminismus“ – Freiheit, Selbstbestimmung und Gleichberechtigung der Frau. Wobei ich das eigentlich gar nicht so differenziert sehe, da es bei all diesen Bewegungen im Grunde um dasselbe geht, und zwar um Menschenrechte. Feminismus hat seinen Ursprung zwar in der geforderten Gleichberechtigung der Frau und das soll auch weiterhin im Vordergrund stehen aber es bedeutet für mich noch viel mehr als das. Man kann keine Feminist*In sein und gleichzeitig andere Menschen auf Grund von irgendwelchen Merkmalen diskriminieren oder unterdrücken.
Wie würdest du OnlyFans beschreiben?
OnlyFans ist eine Social Media Plattform, die im Grunde ähnlich aufgebaut ist wie Instagram. Die Creator*Innen teilen Inhalte auf ihrem Profil, dem die User, meist für einen monatlichen Betrag, folgen können. Welche Inhalte und zu welchem Preis diese zugänglich sind, ist den Creator*Innen selbst überlassen. OnlyFans erlaubt es also den Creator*innen ihren Content relativ einfach und selbstbestimmt zu monetarisieren. Auch erotische Inhalte sind erlaubt, weshalb die Plattform im ersten Moment viele Sexworker*Innen anzog.
Einige bezeichnen OnlyFans als „das neue Porno-Instagram“. Ich verstehe woher dieser Gedanke kommt, aber was im ersten Moment wie eine weitere oberflächliche Social Media Plattform zur freizügigen Selbstdarstellung wirken mag, ist für mich viel mehr.
Ich sehe mich als eine Art Netzwerkaktivistin und versuche mit meinem Content dieselben Themen anzusprechen, die auch in meiner Kunst vorrangig präsent sind: Sexismus, Unterdrückung, die Doppelmoral unserer Gesellschaft. Bei allem was ich dort poste, ist es mein Ziel für Freiheit, Selbstbestimmung und Gleichberechtigung zu kämpfen, vor allem was Frauen betrifft. Ich führe dort zum Beispiel ein Sextagebuch, wo ich offen über meine Erlebnisse und Gedanken zum Thema Sexualität schreibe, um meinen zum größten Teil männlichen Followern einen Einblick in die weibliche Perspektive zu geben. Ein weiterer Punkt wäre „free the nipple“. Eine Bewegung, die auf die Ungerechtigkeit was das zeigen von männlichen und weiblichen Brustwarzen betrifft aufmerksam macht. Tatsächlich dürfen Brüste überall gezeigt werden, wo Nacktheit und Sexuelle Darstellung verboten ist, solange der Nippel zensiert wird. Das ironische daran ist natürlich, dass die Brustwarze ja genau der Teil ist, der bei Männern und Frauen exakt gleich aussieht. Somit ist Männern mal wieder etwas vorbehalten was Frauen untersagt wird. Dagegen möchte ich mit meinen unzensierten, oberkörperfreien Bildern ankämpfen und aufmerksam machen, auch wenn ich weiß, dass das nicht bei allen so ankommt. Weiteres bin ich mir auch der Folgen bewusst, die mein OnlyFans Account mit sich ziehen könnte. Ich bin mir absolut im Klaren darüber, dass viele Menschen mich dafür verurteilen und ich in der Zukunft eventuell Schwierigkeiten haben könnte, wenn es darum geht als seriös eingestuft zu werden. Privat als auch beruflich. Ich habe mich trotzdem bewusst dafür entschieden diese Folgen und möglichen Nachteile in Kauf zu nehmen, weil ich fest daran glaube, dass sich diese Umstände ändern müssen. Ich sehe das dann als deren Verlust, nicht als meinen.
Siehst du Parallelen zu bestehenden Pornoseiten? Was bedeutet OnlyFans für die klassische Pornoindustrie?
Vor allem in Bezug auf die Sexindustrie war es klar, dass so eine Plattform polarisieren würde. Plötzlich wird es Frauen aus der Branche möglich selbst in die Hand zu nehmen was und wie sie sich präsentieren. Es gibt keinen Mann mehr, der sie als Besitz ansieht und an ihrem Körper verdient, sondern die Frau steht an oberster Stelle. Wieviel und womit sie ihr Geld verdient liegt nun allein in ihrer Hand, was ihr die Selbstbestimmung zurückgibt. Das ist nicht nur ein klarer Machtverlust für die überwiegend männlichen Produzenten aus der Industrie, sondern auch ein Machtverlust aller Menschen, die der Meinung sind, dass Frauen und deren Sexualität von Männern kontrolliert werden sollen und dürfen. Daher rührt denke ich die große Diskussion.
Welche Bedeutung haben solche Plattformen für die Gesellschaft?
Pornografische Darstellungen fand man bereits in den Höhlen von Lascaux aus der Steinzeit. Abbildungen der Sexualität in sämtlichen Formen lassen erkennen, dass die Darstellung von Sexualität früher zum Alltag gehörte und nichts Verwerfliches war. Vor Allem durch die Verbreitung des Christentums wurde die Sexualität fast gänzlich aus der Öffentlichkeit verbannt und mit Scham und Sünde in Verbindung gebracht. Laut der Kirche sollte Sex nur in der Ehe und nur zur reinen Fortpflanzung stattfinden. Nachdem sich unsere Gesellschaft im größten Teil darüber einig ist, dass Sex kein reiner Fortpflanzungsakt ist, stelle ich mir die Frage, weshalb wir immer noch an dem Gedanken festhalten, dass sexuelle Darstellung etwas Verwerfliches wäre oder mit dem Wert einer Person zusammenhängt. Pornografie oder Webcamming sind alles Begriffe, die bereits stark stigmatisiert werden. Allein durch den Begriff OnlyFans, der noch nicht so negativ behaftet ist, sehe ich die Chance, dass sich das stigmatisierte Bild von Sex und Sexworker*Innen verändert. Personen müssen sich nicht mehr aus Angst verurteilt zu werden verstecken sondern posten stolz ihren OnlyFans Link auf ihren Social Media Kanälen. Ähnlich wie bei dem Wort „Slut“, welches ursprünglich als Beleidigung genutzt wurde, mittlerweile aber von Feministinnen zurückerobert wurde und nun für eine selbstbestimmte Frau steht. „PROUD SLUT“ steht zum Beispiel über einem meiner letzten Posts.
„Die Satellitensender und das Internet wurden nicht in erster Linie benutzt, um Informationen zu erlangen oder auszutauschen, sondern um Pornographie zu konsumieren.“ lautet ein Zitat des Politikwissenschaftlers und Publizisten Hamed Abdel-Samad in einem seiner Bücher.
Damit möchte ich zu verstehen geben, dass einige Dinge, die wir täglich nutzen, ihren Ursprung in der Erotikindustrie haben und einen entscheidenden Einfluss auf unseren Alltag und die Wirtschaft haben. Es ist also meiner Meinung nach nur mehr eine Frage der Zeit, bis das Konzept der Seite etwas alltägliches und branchenunabhängiges wird. Das Potential sehe ich vor allem darin, dass dort wirklich jede Person die Chance hat mit ihrem individuellen Content Geld zu verdienen.
Hast du auch weibliche Abonnenten?
Das Geschlecht ist bei den meisten „Fans“ nicht ersichtlich, wobei es größtenteils Männer sind. Natürlich würde ich mir wünschen in Zukunft auch mehr weibliche Abonnentinnen zu gewinnen, da ich damit gerne mehr Frauen empowern würde. Da es mir aber in erster Linie um Aufklärung von Männern geht, habe ich somit die perfekte Zielgruppe. Erkennbar ist das beispielsweise daran, dass OnlyFans in den letzten Monaten immer mehr Creator*Innen, darunter Schauspieler*Innen, Coaches und MusikerInnen dazugewinnt, die die Vorteile der Plattform erkannt haben und nutzen. Das Potential sehe ich vor allem darin, dass dort wirklich jede Person die Chance hat mit ihrem individuellen Inhalt Geld zu verdienen.
Die Macht der Weiblichkeit..
besteht darin unsere Rechte zu erkennen, aufzustehen und einzufordern was uns schon immer zusteht.
Missirajin – www.onlyfans.com/missirajin